Unser Dorf Rixfeld
 

Spiele in meiner Kindheit


Schaukelpferd


Mit dem hat mein Vater schon gespielt und es existiert noch heute. Gebaut von Opa Wilhelm aus einfachen Fichtenbrettern, halbrund gesägt, die etwas schräg zueinander montiert sind, wegen der Standfestigkeit. Ein weiteres als Sitz waagrecht obendrüber befestigt, mit einfach geschnitztem Pferdkopf und einem Haltebrett als Rückenlehne. Rechts und links angebrachte Abstellbrettchen für die Füße.
Im Winter und zu den Kindergeburtstagen wurde es immer vom Boden geholt. Am meisten Spaß hat es uns gemacht, quer zu den Dielen zu schaukeln. Das gab einen Heidenlärm.


Wasserrad


Am Weg zum Steimel gab es rechts und links einen Wassergraben, der besonders im Herbst und im Frühjahr reichlich Wasser führte. Mein Großvater hatte den gegenüber unserem Haus liegenden Graben durch einen Wall gestaut. Durch ein großes Drainagerohr, das oben in den
Damm eingelassen war, floss das Wasser und konnte in Eimern fürs Vieh auffangen werden. Zum andern bot sich
die Möglichkeit ein kleines Wasserrad zu betreiben, welches dann mit seinem typischen Geräusch vor sich hin klapperte. Für uns Kinder jedes Jahr wieder eine große Freude.



Wenn der Winter zu Ende ging und die Straßen abgetrocknet waren, begann die Zeit der Spiele im Freien:


Stelzenlaufen


Im Sommer liefen wir in Datsche (selbstgemachte Hauschuhe) ins Dorf zum Spielen. Bis die Straßen im Frühjahr abgetrocknet waren benutzte ich oft Stelzen. Die baute mein Großvater selbst. Ausgesägte Tritte aus Buchenholz wurden an zwei Fichtenstangen befestigt, an deren oberen Enden rechtwinklig zwei kurze Rundhölzer angebracht waren, die als Griffe dienten. Von Zeit zu Zeit mussten die Stelzen meiner Körpergrößeangepasst werden. Einmal hat mir Opa ein Paar mit hohen Tritten gebaut, die höher waren als unsere Haustreppe, von der ich dann gut aufsteigen konnte. Ich war mächtig stolz. Mit großen Schritten gings gleich durchs Ranzendorf bis zur Brücke, wo ich am Brückenstein gegenüber vom Lichthäuschen abgestiegen bin. Dort spielten schon andere Kinder und bewunderten meine neue Errungenschaft.

Da passierte mir folgendes: Vor lauter Überschwang bewegte ich mich auf dem schmalen Stein hin und her, bis ich mit einem Fuß daneben trat und fast drei Meter tief fiel. Ausgerechnet in eine Schlammpfütze im Weg, der zur Tränke für das Vieh führte. Außer einem riesigen Schreck, einer verdreckten Hose und einem abgebrochenen Griff war nicht viel passiert. Mit gemischten Gefühlen ging ich nach Hause, versteckte mein Stelzen hinter den Holzstapeln neben dem Scheunentor zur Scheune und wagte mich ins Haus. Immer etwas seitlich gehend, damit niemand mein Malheur bemerken sollte.
Doch Opa hatte sofort gesehen, dass etwas nicht stimmte. Als ich ihm auf sein Nachfragen schilderte, was passiert war, geriet er außer sich vor Wut und Sorge um mich, was hätte passieren können. Er holte eine Axt und zerhackte mir mein neues Spielzeug. Am nächsten Tag nahm er mich bei der Hand, ging mit mir zum Holzplatz und baute mir neue Stelzen. So war er.


Reifenspiel


Man benötigte eine ausgediente Fahrradfelge und ein Stöckchen. Den Reifen trieb man neben sich her und mit dem Holzstab brachte man ihn immer weiter zum Rollen. So ging es die Straße hinauf und hinunter, allein oder mit anderen Spielkameraden.


Roller fahren


Die Roller waren in Aussehen und Funktion den heutigen ähnlich. Allerdings war das ganze Gefährt aus Holz gefertigt. Durch ein Gelenk aus Eisen verband man das Trittbrett und den Lenker miteinander. Die Räder waren ebenfalls aus Holz.



Ballspiele


Dazu brauchte man einen Ball, den es in der Zeit nach dem Krieg nicht so einfach gab. Als Ersatz diente oft eine Kugel aus Stoffresten, die Mutter oder Großmutter zuvor genäht hatten.
1950 bot man im Spielzeugladen Alt in Lauterbach, am Fuße der Ankertreppe, einen ersten Fußball aus Gummi an. Die angedeuteten Nähte lagen etwas vertieft und waren schwarz gefärbt. Für uns Jungen war es ein Traum. In einem Schriftzug war der Name „Theodor“ zu lesen, angelehnt an einen alten Schlager: „Der Theodor, der Theodor, der steht bei uns im Fußballtor…“
Auf so etwas hatte ich schon lange gespart. Durch das Pflücken und den Verkauf von Heidelbeeren, die wir im Landenhäuserwald (Beerwald) hinter dem Heiligkreuz sammelten, hatte ich mir einiges bei Seite legen können. Immerhin waren damals 3,50 Mark, so viel kostete der Ball, viel Geld. Wenn man bedenkt das meine Mutter zu der Zeit bei den Bauern 30 Pfennig die Stunde bekam.
Bei der ersten Gelegenheit nahm ich den Ball mit auf die Weide. Beim Hüten der Kühe war das eine willkommene Abwechslung. Gemeinsam mit einem zweiten Jungen kickten wir den Ball hin und her. Die Freude sollte nicht lange dauern, denn ich selbst war es, der ihn in einen Nagel schoss, der aus einer Stange im Zaun herausragte. Mit einem zischenden Geräusch kullerte der Ball noch ein Stück in der Wiese und blieb liegen. Die Stimmung war im Keller. Ich war sehr traurig und es flossen sogar einige Tränen. Als es Zeit war, machten wir uns mit dem Vieh auf den Heimweg.


Röllchen-Spiel


Ein beliebter Zeitvertreib war das sogenannte „Röllchenspiel“. Wenn im Herbst der „Holzschneider“ ins Dorf kam, um den Wintervorrat ofenfertig zu sägen, ließen wir Kinder uns aus rundem Buchenholz kleine Holzröllchen von etwa 10 cm Durchmesser und rund 2 Zentimeter Stärke abschneiden. Dazu fertigten wir aus einem Brett mit einem schräg angebrachten Stiel aus einer Bohnenstange einen
sogenannten „Kest“.
Zwei Mannschaften standen sich auf der Straße gegenüber. Jeder Spieler war ausgerüstet mit einem „Kest“ und ein bis zwei Holzröllchen. Der erste Spieler warf eine der Scheiben rollend in Richtung gegnerische Mannschaft. Die musste versuchen sie mit dem „Kest“ zu fangen. Dann ging das Spiel in die andere Richtung.
Durchbrach die Scheibe die Reihe der Spielenden, musste von der Stelle aus zurückgespielt werden, wo die Scheibe zum Liegen gekommen war. Gewonnen hatte am Ende die Mannschaft, die hinter eine zuvor gekennzeichnete Stelle zurückgedrängt worden war. So wurde sich hin und her getrieben.


Eckstein


Wer das Spiel beginnen durfte, wurde durch einen Reim ausgezählt, etwa so: ele, mele, muh und aus bist du. Wer übrigblieb begann das Spiel.
Mit dem Gesicht in der Ellenbeuge, an eine Wand gelehnt, begann dieser zu zählen: 1, 2, 3, 4 Eckstein, alle muss versteckt sein, hinter mir da gilt es nicht, 1, 2, 3 jetzt komme ich. Er zählte bis zehn, dann mussten sich alle irgendwo versteckt haben.
Der Spielemacher schaute nach allen Richtungen, um einen der anderen zu entdecken. Hatte er jemand ausgemachte, rannte er zu der Stelle, wo er das Spiel begonnen hatte, und rief laut den Namen des Gefundenen. Die noch Versteckten hatten die Möglichkeit an die gleiche Stelle zu laufen und mit einem lauten „frei“ sich aus dem Spiel zunehmen. Den nächsten Durchgang begann derjenige, der als erstes gefunden worden war.


Bar-Spiel an der Brücke


Es wurde in zwei Mannschaften gespielt. Zwei Spieler benannten im Wechsel die Mitwirkenden für ihre Gruppe. Jede
Mannschaft stellte sich in einer Reihe zwischen den Brückenpfeilern auf.

                                                                          Unser Spielplatz an der alten Brücke

Spielregel: ein Teilnehmer läuft in Richtung gegnerische Partei. Dort startet der nächste. Sinn des Spiels ist es am meisten „bar“ zu haben. (Bar bedeutete so viel wie Wert.) Wer als letzter startet, kann also einen Spieler der Gegenseite abklatschen, oder der läuft schnell zurück, um sich erneut „bar“ zu holen. Der Abgeklatschte muss sich dann zur Strafe ans Geländer bei der gegnerischen Seite stellen. Seine eigenen Leute können ihn wieder befreien, indem sie mit mehr bar bis zu ihm kommen, um ihn so auszulösen.                                                        Es passiert auch, dass es mehrere Spieler erwischt. Dann stellen sich diese mit ausgestreckten Armen nebeneinander, um schneller von der eigenen Mannschaft befreit werden zu können.